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Johannes Brahms

Sinfonie Nr. 1 c-moll op. 69

Wilhelm Furtwängler – Berliner Philharmoniker – 1952

Der Komponist

Johannes Brahms wurde am 7. Mai 1833 in Hamburg geboren. Im Alter von sieben Jahren erhielt er ersten Klavierunterricht, zugleich zeigte sich schon früh sein Kompositionstalent. Nach Ende seiner Schulzeit 1853 lernte Brahms durch die Vermittlung eines Freundes den Geiger Joseph Joachim kennen, der ihn an Robert Schumann nach Düsseldorf weiterempfahl, eine für den jungen Komponisten wegweisende Begegnung. Nach verschiedenen weiteren Stationen und zahlreichen erfolgreichen Reisen als Pianist liess Brahms sich 1871 endgültig in Wien nieder, wo er bis zu seinem Tod am 3. April 1897 lebte. Galt Brahms zunächst eher als konservativer Bewahrer der Tradition, hat sich diese Einschätzung – insbesondere im Spätwerk – durch einen Aufsatz Arnold Schönbergs aus dem Jahr 1933 hin zu einem massvoll progressiven Erneuerer gewandelt.    

Das Werk

Die Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68 wurde im November 1876 uraufgeführt. Erste Skizzen stammen bereits aus dem Jahr 1862, Brahms hat sich also sehr viel Zeit gelassen, zumal er sich schon in den 50er Jahren mit Sinfonie-Projekten beschäftigt hatte, sie aber immer wieder verwarf oder in andere Gattungen einfließen liess. Erst die Instrumentations-Erfahrung aus der Arbeit an orchesterbegleiteten Chorwerken und – als endgültiger Auslöser – der Erfolg der Haydn-Variationen 1873 gab Brahms die endgültige Sicherheit, aus dem sinfonischen Schatten Beethovens herauszutreten. Auch wenn Hans von Bülow dieses Werk als ´Beethovens 10.` bezeichnet hat, besteht kaum ein Zweifel daran, dass Brahms` Erstling die grösste ´erste` Sinfonie in der Geschichte der Orchestermusik ist (trotz Mahlers ´Titan`).

Der Dirigent

Wilhelm Furtwängler wurde geboren am 25. Januar 1886 in Schöneberg (das zu der Zeit noch kein Teil von Berlin war). Von Beginn an verfolgte er parallel die Dirigenten- und Komponistenlaufbahn (1902 schrieb er z.B. seine 1. Sinfonie – UA 1906). Seine Dirigententätigkeit führte ihn über Stationen in Breslau, Straßburg, Lübeck, Mannheim 1920 zur Übernahme der Konzerte des Orchesters der Berliner Staatsoper (als Nachfolger von Richard Strauss), ehe er 1922 die Nachfolge von Arthur Nikisch als Leiter der Berliner Philharmoniker antrat. Schon zu diesem Zeitpunkt galt Furtwängler als der führende Dirigent Deutschlands, wird 1931 Leiter der Bayreuther Festspiele und 1933 Direktor der Berliner Staatsoper. Wegen eines Hindemith-Aufführungsverbots legte er 1934 alle Ämter nieder, übernahm aber 1935 wieder die Leitung der Berliner und 1939 der Wiener Philharmoniker. Nach Ende des Kriegs wurde er 1952 auf Lebenszeit zum Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker ernannt. Furtwängler starb am 30. November 1954 in Ebersteinburg bei Baden-Baden.

Die Interpretation

Für Wilhelm Furtwängler bedeutete Nachschaffen zu allererst Improvisation, d.h. für ihn war Probenarbeit lediglich Vorbereitung, die Anpassung des ´Apparats` auf die Aufführung, weniger eine interpretatorische Vor-Festlegung. Damit einher ging für ihn die Freiheit, während des Dirigats auch die allervertrauteste Musik neu zu erspüren und umzusetzen, mit der ´Ekstase eines Fanatikers` zu überwältigen, ´weil er selbst ein Überwältigter war`. Genau das spiegelt sich wieder im Gramophone-Kurzkommentar zu dieser Aufnahme: ´Incandescent, elemental playing from the Berliners under Furtwängler`, jedoch gilt diese Einschätzung nach dem Furtwängler-Apologeten John Ardoin für 3 der insgesamt 9 überlieferten Einspielungen: Luzern 1947, Hamburg 1951, Wien 1952 und auch – mit kleinen Einschränkungen – für die in Gramophone gelistete Aufnahme aus Berlin. Letztere – wie auch die genannte Wiener Aufnahme – weist aber im Vergleich zu den Aufführungen in Luzern und Hamburg einen hörbaren Abfall an Kraft und Hingabe auf. Wer Lust, Zeit und Zugriff hat sollte diese vier Einspielungen miteinander vergleichen. Näher kann man dem Phänomen Furtwängler nicht kommen!