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Sergej Prokofiew

Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100

Herbert von Karajan – Berliner Philharmoniker – 1968

Der Komponist

Sergei Sergejewitsch Prokofiew, geb. am 23. April 1891 in Sonzowka (Russisches Kaiserreich heute Ukraine), erhielt bereits im Alter von 4 Jahren Klavierunterrricht von seiner Mutter und kam als 13jähriger ans St. Petersburger Konservatorium. Bei Lehrern wie Nikolai Rimsky-Korssakoff und Anatoli Lladow studierte er bis 1914 insbesondere Klavier, Komposition und Orchestrierung, trat in dieser Zeit bereits mit ersten Kompositionen an die Öffentlichkeit und machte sich einen Namen als brillianter Pianist. 1918 verliess er Russland, zog zunächst in die USA, lebte aber ab 1920 überwiegend in Paris. 1927 führte ihn eine Konzertreise erstmals wieder in die Sowjetunion, in die er 1936 endgültig zurückkehrte, fortan in Moskau lebend. Prokofiew starb am 5. März 1953. Er gilt neben Schostakowitsch als der bedeutendste russische Komponist des 20. Jahrhunderts, der auch in seiner avantgardistischen frühen Phase an der wenngleich erweiterten Tonalität festhielt und später – insbesondere nach seiner Rückkehr in die Sowjetunion – auch volkstümliche und beinahe ´klassische` Stücke schrieb, vermied es aber zugleich, zum Propagandisten des Regimes gemacht werden, wie diverse negative Urteile über seine Arbeit bezeugen. 

Das Werk

Die Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100 entstand im Jahr 1944 und wurde zu Beginn des folgenden Jahres unter Leitung des Komponisten in Moskau uraufgeführt. Neben der ersten ´klassischen` Sinfonie Prokofiews ist sie eines seiner bekanntesten und am häufigsten gespielten Werke. Sie ist ´klassisch` viersätzig gebaut, auch wenn die Abfolge diesen Normen nicht entspricht. Satz 1 ist ein Andante gefolgt von einem Scherzo (Allegro marcato). Der dritte Satz ist Adagio überschrieben und fraglos das emotionale Zentrum der Sinfonie, an deren Ende ein Rondofinale (Allegro giocoso) steht. Das Werk ist durchweg sehr durchsichtig und zugleich differenziert instrumentiert, geprägt von häufigen Farbwechseln und einer ausgefallenen Harmonik, zwei Elemente, die dem häufig in das Werk hineingelesenen ´doppelten Boden` zwischen Frohsinn und und dem politischen Zwang zum Optimismus.

Der Dirigent

Herbert von Karajan, geboren am 5. April 1908 in Salzburg, gestorben am 16. Juli 1989 in Anil bei Salzburg, zählt zu den bekanntesten und bedeutendsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts. Seine spektakuläre Karriere begann 1929 als erster Kapellmeister am Stadttheater Ulm, 1934 wurde er Generalmusikdirektor in Aachen, ab 1941 (er war zwischenzeitlich der NSDAP beigetreten) wirkte Karajan in Berlin. Nach Ende des 2. Weltkriegs begann seine internationale Karriere in Wien, London und an der Mailänder Scala. 1955 löste er Wilhelm Furtwängler als Leiter der Berliner Philharmoniker ab, deren Chefdirigent er bis zu seinem Tod blieb. Karajan hat eine gewaltige Menge an Einspielungen mit diversen Orchestern von Bach bis Stravinsky hinterlassen, sein Stil sollte nach eigener Aussage die Präzision Toscaninis mit der Fantasie Furtwänglers verbinden.

Die Interpretation

Es gibt expressivere, die Abstufungen und Bewegungen innerhalb der einzelnen Sätze stärker betonende Interpretationen von Prokofiews 5. Sinfonie, aber keine, zumindest keine, die ich kenne, erreicht eine solche natürliche Stringenz, einen in allen Sätzen hörbaren organischen Fluss, der für eine sehr intensive Beschäftigung von Dirigent und Orchester mit dem wahrlich nicht einfach zu fassenden Werk spricht. Apropos Orchester: die Berliner sind seit Jahrzehnten eines der internationalen Spitzenensembles, aber in dieser Aufnahme gelingt allen Instrumentengruppen (besonders den Streichern und Bläsern) nicht nur ein nahezu perfektes Zusammenspiel, sondern auch eine fast magische klangliche Abstufung und Transparenz selbst in den explosiven Fortissimo-Stellen. Bei den bereits digital aufgenommen Einspielungen ragen Riccardo Muti 1990 mit dem Philadelphia Orchestra und Mariss Jansons 2016 live mit dem Royal Concertgebouw Orchester (letzterer bei recht zügigen Tempi) heraus. Ein Spezialtipp die Aufnahme von Serge Koussevitzky mit dem Boston Symphony Orchestra aus dem Jahr 1946: ein Parforce-Ritt mit klanglichen und manchmal auch spieltechnischen Schwächen.