Franz Schubert
Schwanengesang D. 957
Peter Schreier, Andras Schiff – 1989
Der Komponist
Franz Schubert wurde am 31. Januar 1797 in Lichtenthal bei Wien geboren. Schon sehr früh erhielt er erste musikalische Unterweisungen durch seinen Vater, später dann durch Michael Holzer, den Kapellmeister der örtlichen Pfarrkirche. Seine schöne Sopranstimme ermöglichte ihm 1808 die Aufnahme als Kapellknabe in die Wiener Hofkapelle und ins Stadtkonvikt, dort erhielt er weiteren Unterricht u.a. auch durch Antonio Salieri. Schon in dieser Zeit (bis 1812) begann er zu komponieren, nach dem Stimmbruch arbeitete er für drei Jahre als Schulgehilfe, ehe er sich infolge der finanziellen Unterstützung seines Freundes Franz von Schober ganz dem Komponieren widmen konnte. Schubert hinterließ trotz seines kurzen Lebens (er starb am 19. November 1828 in Wien) ein ungemein reichhaltiges musikalisches Erbe, dessen Umfang und Qualität erst allmählich nach seinem Tod entdeckt wurde. Zu Lebzeiten galt Schubert, der unter ärmlichsten Verhältnissen lebte und dessen scheues Wesen ihm kein öffentliches Amt erlaubte, ausschließlich als Liederkomponist. Seine großartigen Leistungen auf den Gebieten der Sinfonik, Kammer- und Klaviermusik wurden z.T. erst viel später ´entdeckt`, gelten allerdings heute zurecht als herausragende Werke der frühen Romantik.
Das Werk
Die 14 Lieder dieses Zyklus entstanden 1828 kurz vor Schuberts Tod. Im Gegensatz zu den beiden anderen berühmten Zyklen ´Die schöne Müllerin` und ´Winterreise` hat Schubert den Ablauf nicht selbst gestaltet, die Zusammenstellung und der Titel stammen vom Verleger Tobias Haslinger und es ist unsicher, ob Schubert bei der Komposition überhaupt an einen weiteren Zyklus gedacht hat. Die Sammlung besteht aus 14 Liedern, die Texte zu 1-7 hat Ludwig Rellstab geschrieben, 8-13 Heinrich Heine, den Schluss bildet ´Die Taubenpost` von Johann Gabriel Seidl, das letzte von Schubert komponierte Lied, das wohl auch dem gesamten Zyklus den Titel gab. Rellstabs Texte sind in der Mehrzahl leichtgewichtiger (Liebesbotschaft, Frühlingssehnsucht, Ständchen und Abschied), die übrigen drei (Kriegers Ahnung, Aufenthalt und In der Ferne) weisen zumindest auf die tiefere Emotionalität der Heine-Lieder hin, die sich schon im Lied Nr. 8 (Der Atlas) manifestiert und in den folgenden Liedern eindrücklich bestätigt wird. Heines eigene Reihenfolge im Buch der Lieder ist anders als die von Haslinger gewählte, und wird in manchen ´modernen` Einspielungen des Zyklus entsprechend berücksichtigt: es beginnt mit ´Das Fischermädchen`, es folgen ´Am Meer`, Die Stadt Der Doppelgänger, ´Ihr Bild` und den Schluss bildet ´Der Atlas`.
Der Sänger
Peter Schreier (1935-2019) hat insbesondere als Interpret der Werke Bachs, Mozarts und Schuberts große internationale Anerkennung erfahren. Als Kind sang im Dresdner Kreuzchor und studierte später Gesang und Dirigieren an der Dresdner Musikhochschule. 1959 gab er sein Debut an der Staatsoper Dresden, deren Ensemblemitglied er zwei Jahre später wurde. Er wechselte 1963 an die Berliner Staatsoper, der Startpunkt seiner internationalen Karriere insbesondere als Mozart-Sänger (Tamino und Belmonte), die ihn auf die großen Bühnen in Wien, Salzburg, Mailand und New York führten. Sein spezielles Interesse – auch als Dirigent – aber galt dem Lied und Oratorium, hier setzte er vornehmlich Akzente bei den Kantaten von Johann Sebastian Bach.
Der Pianist
Andras Schiff kam 1953 in Budapest zur Welt, erhielt ersten Klavierunterricht im Alter von fünf Jahren und studierte ab seinem 14. Lebensjahr an der Franz-Liszt-Musikakademie seiner Heimatstadt. Schon ab Beginn der 1970er Jahre trat er international als Pianist, Kammermusiker und Dirigent in Erscheinung, internationale Anerkennung für seinen schlanken, klangschönen Vortrag erfuhr er ab Beginn der 1980er Jahre mit der Einspielung der Mozart-Klaviersonaten. Seine weiteren Schwerpunkte sind Bach, Haydn, Beethoven, Schubert, Schumann und Bartok, nicht zu vergessen sein Einsatz für Zeitgenossen wie seinen Landsmann György Kurtag oder den Amerikaner Elliott Carter. Andras Schiff gehört mit seiner natürlichen, unaufdringlichen Musikalität zu den bedeutendsten Pianisten der Gegenwart.
Die Interpretation
Die nicht ganz unberechtigte Befürchtung, dass einem lyrischen Tenor das stimmliche Gewicht besonders für die Heine-Lieder ´Der Atlas` und ´Der Doppelgänger` abgehen könne, wird von einem klug gestaltenden Peter Schreier und nicht zuletzt auch durch die einfühlsame, durchweg meisterliche Klavierbegleitung von Andras Schiff grandios widerlegt. Es ist eine reine Freude, den Zyklus in seinen Original-Tonarten zu hören und nicht in den für Bariton oder gar Bass-Bariton transponierten Fassungen. Vorsicht ist jedoch geboten bei der Reihenfolge der Lieder: Schreier ändert die Folge bei den Heine-Liedern und fügt zudem einige Seidl-Lieder hinzu. Das ändert jedoch nichts an der großen Bedeutung dieser Aufnahme, die der an Bariton-Alternativen interessierte Hörer mit den vier an Textdurchdringung nicht zu überbietenden, wenn auch zeitweise zu Übertreibungen neigenden Einspielungen von Dietrich Fischer-Dieskau – empfohlen die mit Gerald Moore am Klavier aus dem Jahr 1962 – oder der von Hans Hotter (ebenfalls mit Gerald Moore (1954) vergleichen kann. Ein Erlebnis besonderer Art mit Alleinstellungsmerkmal bietet Brigitte Fassbaender mit Aribert Reimann am Klavier (1989-91), eine Aufnahme, die in ihrer Intensität kaum zu überbieten ist (einmal abgesehen davon, dass man ´Ständchen` nur hier in einer wunderbar erotisch modellierten Fassung hört) und die jeder Schubert-Freund gehört haben sollte. Bei den neueren Aufnahmen würde ich am ehesten zu Wolfgang Holzmair und Imogen Cooper greifen (1994).